Günter Wallraff (75) musste als Kind eine schwere Zeit durchmachen, denn seine Mutter vergaß, wer er war.
Der Reporter (‚Team Wallraff‘) kann sich auch heute, viele Jahrzehnte danach, noch an diesen Schock erinnern, wie er in einer Kolumne für die ‚Zeit‘ schreibt:
„Meine Mutter litt nach meiner Geburt unter Kindbettfieber und lag monatelang im Koma. Als sie daraus erwachte, erkannte sie mich nicht wieder. Sie dachte, ich wäre im Krankenhaus vertauscht worden, wie das während des Krieges passierte – so hat sie mir es später erzählt.“
Zwar habe er diese Erfahrung nicht mit vollen Bewusstsein miterlebt, weil er dazu noch viel zu klein war, doch das machte sie nicht weniger schlimm. Wenige Jahre später musste Günter Wallraff erneut stark sein, als er in ein Kinderheim ziehen musste: „Einige Jahre später brachte sie [meine Mutter] mich aus wirtschaftlicher Not in ein Kinderheim. Die Szene habe ich bis heute wie in einem Film vor den Augen: Ich betrete das Heim an der Hand meiner Mutter, dann ist sie plötzlich weg.“
Derartige Erfahrungen in der Kindheit haben dazu geführt, dass sich der Undercover-Reporter seine eigenen Schutzwälle aufbaute. Der ‚Faz‘ erzählte er von einem frühen Fundstück aus seiner Jugend: „In einem Tagebucheintrag aus meiner Jugendzeit […] schreibe ich als Siebzehnjähriger die Sätze: ‚Ich bin mein eigener heimlicher Maskenbildner. Locke meinem Wesen immer neue Masken hervor.'“ Dieses Talent nutzt Günter Wallraff mittlerweile dann auch beruflich und deckt mit immer verschiedenen Masken auf, was man nicht sehen soll – auch dank seiner Mutter.